13. August 2023
Projekteam: Mariann Bühler, Leonora Schulthess, Tabea Steiner
Grafik Plakat: Annik Troxler
Lore Bergers Roman «Der barmherzige Hügel. Eine Geschichte gegen Thomas» erzählt, wie eine Frau zugrunde geht, umgeben von Wohlstand, umstellt von Schranken. Der Text ist nicht nur in seiner Form, sondern insbesondere sprachlich bemerkenswert schneidend und virtuos. Vor achtzig Jahren setzte Lore Berger ihrem Leben ein Ende – kurz bevor ihr erster und einziger Roman erschien.
Am 13. August 2023 lasen zwanzig Basler Autorinnen in einer ganztägigen Marathonlesung Lore Bergers Roman “Der Barmherzige Hügel” vor – ein unüberhörbares Erinnerungsecho auf die Autorin. Gleichzeitig setzte die Lesung dem abschätzigen Eintrag auf Wikipedia – “Es ist zu vermuten, dass der Roman nur wegen Bergers Suizid und den Parallelen im Roman 1944 veröffentlicht wurde” – das beste Argument entgegen: den Romantext selbst.
Du sollst mir nur ein paar Stunden zuhören – denn meine Geschichte ist nicht lang und ihr Ende schon am Anfang vorauszusehen – und du sollst mit mir ein paar Schritte über den grossen Hügel tun an einem Abend voll Wolken und Blumen.
Medienmitteilung vom 7. Juni 2023
In den Medien
20 Autorinnen holen Lore Berger aus dem Vergessen
Blick, 13.08.2023
Lest den Roman, nicht die Legenden
Yael Inokai, Republik, 12.08.2023
Regionaljournal Basel
SRF, 11.08.2023
Ein vielstimmiges Echo im Wasserturm
BZ 11.08.2023
Lesestoff Podcast über Lore Berger
mit Mariann Bühler & Charles Linsmayer
09.08.2023
10:30 Alisha Stöcklin
10:45 Clara A’Campo
11:00 Eva Seck
11:15 Sabine Gisin
11:30 Gabrielle Alioth
11:45 Edith Gartmann
12:00 Regula Wenger
12:15 Mena Kost
14:00 Verena Stössinger
14:15 Julia Rüegger
14:30 Daniela Dill
14:45 Sarah Altenaichinger
15:00 Friederike Kretzen
15:15 Claudia Gabler
15:30 Annina Haab
15:45 Irena Brežná
16:00 Sandra Hughes
16:15 Michelle Steinbeck
16:30 Selina Iza Hauswirth
16:45 Ariane Koch
Lore Berger gehört zu jenen Autorinnen, von denen die Nachkommenden noch viele weitere Bücher hätten lesen wollen. Es blieb bei einem Roman, der erst 1944 posthum erschien: Ein Roman, der gegen die damaligen Verhältnisse anschrieb, indem er das ganz private Erleben der Figur Esther mit den gesellschaftlichen Gegebenheiten verbindet. Noch bevor der Roman «Der barmherzige Hügel. Eine Geschichte gegen Thomas» erschien, setzte Lore Berger ihrem Leben ein Ende. Bis heute wirkt das Narrativ nach, der Roman sei nur wegen Bergers Suizid und den Parallelen zu ihrem Leben publiziert worden (Wikipedia).
«Der barmherzige Hügel. Eine Geschichte gegen Thomas» ist die Geschichte von Esther. Sie stirbt im Frühling 1940 während einer Bluttransfusion, die ihre Genesung hätte vollenden sollen. Esthers Bruder ist es, der von Esthers merkwürdigen Krankheit, Depressionen und Appetitlosigkeit, berichtet. Parallelen zu Lore Bergers eigenem Leben sind erkennbar, wo der Roman schneidend und virtuos davon erzählt, wie eine Frau zugrunde geht, umgeben von Wohlstand, umstellt von Schranken. Denn niemand in Lore Berges Familie durfte von ihrem Schreiben wissen, davon, dass sie vorhatte, laut über die beengenden Zustände zu schreiben.
Der Literaturwissenschaftler Christoph Steier hält fest: Lore Bergers «Der barmherzige Hügel» gehört zu den wenigen Schweizer Büchern aus den 1940ern Jahren, die auch heute noch – unbedingt – lesenswert sind. Dabei darf die Verschränkung von Leben und Werk zur Passionsgeschichte einer vielfach bedrängten Autorinnenschaft nicht über das tiefe, kluge und verzweifelte Misstrauen Lore Bergers gegen die Erzählschablonen ihrer Zeit hinwegtäuschen. Vielmehr stellt sie binäre Strukturen auf eine ästhetisch bestechende Weise infrage, indem Zwang und Fürsorge, Lust und Scham oder auch ein heilloser Weltlauf und ganz private Glücksanstrengungen weniger kollidieren als ineinander verschwimmen.
Die poetische Kraft und die politische Reichweite des Romanes von Lore Berger hat sich leise, aber nachhaltig in die Schweizer Literaturgeschichte eingeschrieben. In Friederike Kretzens Roman «Ich bin ein Hügel» schimmert der Text auf vielfältige Weise durch: «Doch Hand aufs Herz, was soll ein Hügel sein und dabei ein Mädchen? (…) Und zieht euch die Röcke über die Knie.» In Urs Widmers «Der blaue Siphon» wird der Turm umkreist, der Hügel, der Park der Kindheit – und da hetzt auch schon eine junge Frau an einem vorbei. Charles Linsmayer wiederum hat zwei kommentierte Ausgaben des Romanes herausgegeben, die zweite mitsamt dem Tagebuch von Lore Berger.
“Auch heute sind Frauen, Autorinnen, die verhungern, zahlreich. Manche schreiben und legen so den Finger auf wunde Punkte. Werke wie Der barmherzige Hügel zeigen ihnen, dass sie in einer Tradition stehen, dass sie Verbündete unter den Schriftstellerinnen haben, dass der Widerstand gegen die Verhältnisse notwendig, wenn auch schmerzhaft ist.”
Lore Berger: Der barmherzige Hügel. Eine Geschichte gegen Thomas. Ergänzt um Fragmente aus dem Journal intime der Autorin. Herausgegeben und mit einer Lore-Berger-Biographie versehen von Charles Linsmayer. Th. Gut Verlag, Zürich.
Silvia Camatta: Lo sciopero della fame di Lore Berger. Narrare l’anoressia nervosa nella Svizzera della geistige Landesverteidigung. Padova, Unipress.
Friederike Kretzen: Ich bin ein Hügel. DTV, Berlin.
Iris Meyer: Lieben und leiden auf dem Wasserturm. bz Basel vom 10. November 2017
Liliane Studer: Lore Berger. In: Luise F. Pusch (Hrsg.): Handbuch für Wahnsinnsfrauen. Suhrkamp, Frankfurt am Main.
Doris Stump: Lore Berger. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
Urs Widmer: Der blaue Siphon. Diogenes, Zürich.
Wir danken
Charles Linsmayer, Literaturkritiker
"Endlich erkennen hellhörige Leserinnen und Leser, was für ein eindringliches poetisches Sprachkunstwerk Lore Berger gelungen war."
Christoph Steier, Literaturwissenschaftler
"Lore Bergers «Der barmherzige Hügel» gehört zu den Schweizer Büchern aus den 1940ern Jahren, die auch heute noch – unbedingt – lesenswert sind."
Liliane Studer, Lektorin, Literaturkritikerin und Veranstalterin
"Werke wie Der barmherzige Hügel zeigen zeitgenössischen Autorinnen, dass sie in einer Tradition stehen, dass sie Verbündete unter den Schriftstellerinnen haben, dass der Widerstand gegen die Verhältnisse notwendig, wenn auch schmerzhaft ist."
der IWB für das zur Verfügung stellen des Wasserturms als Veranstaltungsort
Annik Troxler für die Gestaltung von Flyer und Plakat
allen Förderer:innen für die grosszügige Unterstützung:
Sulger-Stiftung